Wie viele Dinge braucht man wirklich? – Meine Erfahrungen beim Auswandern nach Mexiko
Ein neuer Lebensabschnitt mit leichtem Gepäck
Als ich vor 10 Jahren meine Reise durch Mexiko begann, mietete ich in der Schweiz einen kleinen Lagerraum für die Dinge, die ich nach meiner Rückkehr wieder brauchen würde – oder von denen ich mich einfach nicht trennen konnte. Grosse Möbelstücke wie Esstisch, Bett oder Kleiderschrank waren zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr dabei. Zur Not, dachte ich, würde auch eine Matratze reichen.
Für die Reise packte ich nur einen Koffer – und das funktionierte wunderbar. Da das Klima meist angenehm warm war, brauchte ich weder Winterjacke noch Mütze. Anfangs fühlte sich dieser Minimalismus erfrischend an. Doch nach ein paar Monaten merkte ich, dass die spärliche Auswahl an Kleidung langsam eintönig wurde. Auch einige Kleidungsstücke und Schuhe begannen durch die häufige Nutzung schneller zu verschleissen.
Vom Reisen zum Ankommen
Als ich schließlich bei meinem heutigen Mann einzog, begann ich nach und nach, Kleidungsstücke zu ersetzen und ein paar wärmere Jacken zu kaufen. Da wir in einer sehr kleinen Wohnung lebten, hielt sich der Besitz jedoch weiterhin in Grenzen – und das war auch gut so. Ich mag es lieber gemütlich als überfüllt.
Zudem musste ich weiterhin mit meinen Ersparnissen auskommen, was bedeutete, dass mein Budget nicht unbegrenzt war. Doch ich hatte mich längst daran gewöhnt, meine Lieblingsstücke öfter zu tragen und nur das Nötigste zu besitzen. Für die wenigen kalten Tage reichte eine einzige warme Jacke völlig aus.
Zurück in die Schweiz – Ein Blick auf alte Dinge
Nach neun Monaten in Mexiko kehrte ich in die Schweiz zurück, um meinen Lagerraum zu räumen – diesmal mit der festen Absicht, mich von vielem zu trennen. Schliesslich konnte ich nicht alles mit nach Mexiko nehmen.
Nur ganz wenige Dinge fehlen mir bis heute wegen ihres emotionalen Werts. Darunter ein Möbelstück, das nicht ins Gepäck passte, und eine Winterjacke, von der ich damals dachte, ich würde sie nicht mehr brauchen. Auf der anderen Seite waren da aber auch Dinge, bei denen ich mich fragte, warum ich sie überhaupt 9 Monate aufbewahrt hatte. Viele davon verschenkte ich bereitwillig weiter.
Minimalismus – Weniger ist oft mehr
Interessant war für mich zu beobachten, welche Dinge mir wirklich wichtig waren. Es waren meist persönliche Gegenstände – Fotos, Geschenke und Lieblingsstücke – und weniger Alltagsgegenstände oder Dekoration.
Als ich mich dann endgültig in Mexiko niederliess, gehörte ein Staubsauger zu den ersten Dingen, die ich mir kaufte. Auch die Küche war eher spärlich ausgestattet, weshalb bald eine Schüssel und ein paar Pfannen hinzukamen. Und das Allerwichtigste: Stricknadeln, Pinsel und Bastelutensilien mussten auch schnell wieder her. Dennoch lebten wir über ein Jahr lang mit einem recht minimalistischen Haushalt.
Rückblickend fand ich diese Zeit sehr angenehm. Weniger Dinge bedeuteten weniger Unordnung, weniger Staubfänger und weniger Aufwand beim Putzen.
Mehr Platz, mehr Dinge – und warum das oft gar nicht nötig ist
Erst als wir in eine grössere Wohnung zogen, kamen mehr Dinge dazu: ein Wasserkocher, ein Schreibtisch, ein Wäscheständer und viele andere Kleinigkeiten. Das Muster ist klar – je mehr Platz man hat, desto mehr sammelt man an.
Doch seien wir ehrlich: Die meisten Dinge kaufen wir nicht aus Notwendigkeit, sondern weil sie verfügbar sind und wir die Mittel dazu haben. Muss man wirklich für alles ein spezielles Gerät besitzen, das man nur einmal im Jahr benutzt? Häufig reichen die Basics völlig aus – oder man findet andere Lösungen, wie Handarbeit oder kreatives Improvisieren.
Die Qual der Wahl – Ein Blick auf Konsumkultur
Ein Gedanke, der mir immer wieder durch den Kopf geht, betrifft die riesige Auswahl, die wir in manchen Ländern haben. In der Schweiz fiel mir das besonders auf – zum Beispiel bei einem so simplen Produkt wie Zucker.
Es gibt Rohrzucker, weissen Zucker, Stevia, Birkenzucker, Würfelzucker, Kandiszucker und sogar Zucker in Herzform. In ärmeren Ländern sieht das oft anders aus. Dort findet man vielleicht eine Sorte Zucker, meist im Kilopack. Und man arrangiert sich.
Das Gleiche gilt für andere Bereiche: In einigen Ländern werden kaputte Elektrogeräte repariert, während sie anderswo oft sofort durch neue ersetzt werden.
Fazit – Was braucht man wirklich?
Meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass man viel weniger braucht, als man denkt. Minimalismus bringt nicht nur Ordnung, sondern auch Klarheit darüber, was einem wirklich wichtig ist.
Ob beim Auswandern oder einfach beim Frühjahrsputz – manchmal lohnt es sich, innezuhalten und sich zu fragen: Brauche ich das wirklich?
Praktische Tipps für bewussteren Konsum und Minimalismus:
1. Die 30-Tage-Regel anwenden:
Wenn du etwas kaufen möchtest, warte 30 Tage und überlege dann noch einmal, ob du es wirklich brauchst. Oft vergeht der Wunsch von allein.
2. Eins-gegen-eins-Regel:
Jedes Mal, wenn du etwas Neues kaufst, trenne dich von einem alten Gegenstand. So verhinderst du, dass sich zu viele Dinge ansammeln. Das mache ich zum Beispiel mit den Klamotten so.
3. Reparieren statt neu kaufen:
Überlege, ob kaputte Dinge repariert werden können, bevor du sie ersetzt.
4. Multifunktionale Gegenstände bevorzugen:
Statt viele spezielle Geräte zu kaufen, entscheide dich für Dinge, die mehrere Funktionen erfüllen.
5. Kisten-Test für Unentschlossenheit:
Packe Dinge, bei denen du unsicher bist, ob du sie behalten möchtest, in eine Kiste. Wenn du sie nach 6 Monaten nicht vermisst, kannst du sie verschenken oder verkaufen.
6. Minimalismus schrittweise umsetzen:
Man muss nicht alles auf einmal ausmisten. Fange mit einer Kategorie an (z. B. Kleidung oder Küchenutensilien) und arbeite dich langsam vor.
Habt ihr schon mal ausgemistet und euch freier gefühlt?
Auswandern oder nicht? Die Entscheidung, die alles verändert
Den Entschluss zu fassen, auszuwandern, ist sicher nicht einfach und hängt stark von der Persönlichkeit und den eigenen Umständen ab. Wie gut man vorbereitet sein will oder muss, variiert von Person zu Person. Doch eines weiss ich: Wenn man es wirklich will, dann ist es möglich.
Damals wurde ich mit vielen Zweifeln konfrontiert – nicht nur meinen eigenen, sondern auch den Zweifeln anderer Leute. "Was ist mit der Krankenversicherung?", "Wie machst du das mit der Altersvorsorge?", "Was, wenn du zurückkehren möchtest?" – diese Fragen wurden mir oft gestellt. Zugegeben, im Nachhinein hätte ich vielleicht einige Dinge besser recherchieren können. Doch in diesem Moment war ich mir einfach sicher, dass alles gut werden würde und dass es für jedes Problem eine Lösung gibt. Und im Endeffekt war es auch so.
Allerdings habe ich mich nicht völlig unvorbereitet ins Abenteuer gestürzt. Ich konnte bereits Spanisch – nicht fliessend, aber ich konnte mich unterhalten. Ausserdem hatte ich genug Geld gespart, um anfangs nicht sofort auf ein regelmässiges Einkommen angewiesen zu sein. Und als ich den endgültigen Entschluss fasste, kannte ich bereits meinen Freund, der mir eine enorme Stütze war – und es bis heute ist.
Das alles hat mir die Entscheidung vereinfacht. Aber auch Freunde und Familie in der Schweiz, die hinter mir standen und mir Mut machten. Und Freundinnen, die bereits im Ausland gewohnt hatten und als positives Beispiel dienten. Und natürlich die Verlockung auf das Abenteuer und das Bedürfnis, etwas Neues zu beginnen.
Doch sollte man sich bewusst sein, dass man sich selbst auf jeden Fall mitnimmt – all seine Gewohnheiten, Stärken, Schwächen und Zweifel. Egal, wie weit man reist, man bleibt die gleiche Person, und die Probleme, denen man entfliehen will, können einen auch im neuen Land wieder einholen.
Doch neben den praktischen Herausforderungen bringt das Auswandern auch viele emotionale Höhen und Tiefen mit sich. Die Trennung von Familie und Freunden, die Anpassung an eine völlig neue Umgebung und das Heimweh sind Dinge, die jeder Auswanderer durchlebt. Es gibt Momente, in denen man sich fragt, ob man die richtige Entscheidung getroffen hat. Manchmal fühlt man sich fremd oder vermisst die Vertrautheit des alten Lebens. Gleichzeitig gibt es aber auch die Freude über die neuen Erfahrungen, die einem im Ausland begegnen – die kleinen und grossen Erfolge, die einem zeigen, dass es sich lohnt, den Mut zu haben, neu anzufangen. Diese emotionale Reise gehört genauso zum Auswandern wie die äusseren Veränderungen.
Es ist auch wichtig zu wissen, dass das Auswandern kein endgültiger Schritt sein muss. Viele Menschen entscheiden sich nach einiger Zeit, in ihre Heimat zurückzukehren – sei es aus familiären Gründen, beruflichen Umständen oder einfach, weil das Leben im Ausland nicht den Erwartungen entsprach. Auch das ist völlig in Ordnung. Das Wichtigste ist, dass man immer die Freiheit hat, seine Entscheidung zu überdenken und den Weg zu wählen, der sich für einen selbst am besten anfühlt.
Deshalb spielt der Grund, warum man auswandern möchte, eine entscheidende Rolle. Die Motivation hinter der Entscheidung beeinflusst massgeblich, wie man mit den unvermeidlichen Herausforderungen im neuen Land umgeht – wie zum Beispiel die Arbeitssuche (siehe dazu meinen Beitrag "Chancen und Herausforderungen: Als Ausländerin auf Jobsuche in Mexiko"), die Bürokratie oder die kulturellen Unterschiede.
Ob es der Wunsch nach persönlicher Freiheit, bessere berufliche Chancen oder der Traum von einem neuen Lebensabschnitt ist, der Grund fürs Auswandern gibt einem die notwendige Kraft und den Antrieb, diesen Schritt wirklich zu wagen.
Das Gras auf der anderen Seite ist nicht grüner
Es gibt da dieses Sprichwort «Das Gras auf der anderen Seite des Hügels ist immer grüner». Das will heissen, dass das was die anderen haben immer besser oder attraktiver wirkt, als das was wir selbst besitzen.
Wer kennt das nicht? Hast du glattes Haar, möchtest du Locken. Wohnst du auf dem Land, siehst du die Vorteile der Stadt. Hast du eine geregelte Arbeit, möchtest du lieber selbständig tätig sein. Und hast du deine eigene Firma, siehst du die Vorteile vom Angestellten-Dasein. Und so geht es vielen auch mit dem Wohnland.
Hier in Mexiko denkt man, dass es sich in Zentral-Europa besser lebt, während man sich dort wünscht in einem Land zu leben, wo es wärmer ist, die Sonne öfters scheint, die Leute freundlicher sind und alles entspannter ist.
Ich habe 36 Jahre in der Schweiz gelebt und wohne nun seit neun Jahren in Mexiko und kann sagen, dass das Gras auf der anderen Seite des Hügels, oder in meinem Fall des Teichs, nicht grüner ist.
Die Schweiz ist bekannt für ihre hohe Lebensqualität, ihre gut funktionierende Infrastruktur und ihre Stabilität. Die Schweiz bietet auch eine hohe Sicherheit und ein hohes Einkommensniveau. Man ist also im Vergleich zu vielen anderen Völkern reich. Doch man muss auch etwas dafür tun. Um eine gute Arbeit zu finden, braucht man eine entsprechende Aus- und Weiterbildung, am Arbeitsplatz muss man sich einsetzen, man arbeitet oft unter Druck und muss Leistung erbringen. Auch im öffentlichen Leben wird erwartet, dass man sich an gewisse Regeln hält, und wenn man das nicht tut, bekommt man es schnell zu spüren, respektive zu hören.
Aber das sieht man als Tourist natürlich nicht. Man sieht vor allem die atemberaubende Natur, die schmucken Häuser, die Sauberkeit, dass alles funktioniert, dass man das Leitungswasser trinken kann, in den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht stehen muss und dass sich die Leute scheinbar alles kaufen können, was sie möchten.
Malerische Landschaft der Schweiz
Hier in Mexiko schätzt der Tourist, dass immer die Sonne scheint, man praktisch das ganze Jahr über im T-Shirt raumlaufen kann, dass die Leute sehr hilfsbereit, freundlich, zuvorkommend und offen sind. Man sieht wie alles so günstig ist, lässt sich von der fröhlichen Musik und dem Leben bis spät in den Abend hinein mitreissen. Man merkt auch, dass Regeln zum Brechen da sind und es sich so manchmal leichter leben lässt. Dabei ignoriert man die rostige Dusche, die schlechte Internetverbindung und die vollbepackte Metro. Man weiss auch nicht, dass dieses ständige Regelbrechen im täglichen Leben Chaos verursacht und sehr anstrengend sein kann. Oder dass günstig relativ ist, denn qualitativ gute Waren sind hier teuer.
So schnell vergisst man auch, wie es im anderen Land ist oder war und schielt nur neidisch auf das scheinbar Bessere. Auch gewöhnt man sich sehr bald an das Neue, so dass es nicht mehr aufregend sondern nur noch gewöhnlich ist.
Am Anfang begeisterten mich hier in Mexiko die riesigen Supermärkte wie zum Beispiel der Walmart. Nun, da ich mich an sein Sortiment gewöhnt habe, gehe ich, wenn ich in der Schweiz bin, mit glänzenden Augen durch die Migros oder den Coop, die vor einigen Jahren für mich alltäglich waren. Oder die Sonne und Wärme, keine Frage, die geniesse ich hier jeden Tag. Doch ab und zu erwische ich mich doch mit dem Gedanken, dass wieder mal Schnee zu haben schon schön wär.
Letztendlich hängt die Frage, wo es sich besser leben lässt, von den individuellen Prioritäten und Bedürfnissen ab. Jeder Mensch hat unterschiedliche Vorlieben und Ziele im Leben. Es ist wichtig, daran zu denken, dass kein Land perfekt ist und dass es immer Vor- und Nachteile gibt.
Auswandern ist ein Abenteuer, das mit Herausforderungen und Anpassen verbunden ist. Es erfordert Mut, Flexibilität und die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass es Höhen und Tiefen geben kann, aber letztendlich ist es eine Erfahrung, die uns wachsen lässt und uns neue Perspektiven eröffnet.
Egal, ob man sich für Mexiko oder ein anderes Land entscheidet, das Auswandern bietet die Möglichkeit das eigene Leben zu bereichern und neue Horizonte zu erkunden. Es ist eine Chance, sich selbst besser kennenzulernen, neue Freundschaften zu knüpfen und die Welt mit anderen Augen zu sehen.
Also, wenn du doch das Gefühl hast, dass das Gras auf der anderen Seite des Hügels grüner ist, dann wage den Schritt und erkunde die Möglichkeiten, die das Auswandern bietet. Es könnte der Beginn eines aufregenden neuen Kapitels in deinem Leben sein.Wie und warum ich mein Leben umkrempelte
Es begann vor
vielen vielen Jahren. Ich arbeitete damals noch im Büro und hatte im Jahr fünf
Wochen Ferien. Diese fünf Wochen verbrachte ich meistens irgendwo weit weg. Je
weiter im Westen desto besser. Mit dem Nachhausekommen tat ich mich immer etwas
schwer und die meiste Zeit sass ich auf meinem Bürostuhl und fragte mich wann
endlich Feierabend war. So konnte das nicht mehr weitergehen, denn ich wollte
die Zeit von 8 – 5 Uhr ebenfalls geniessen und nicht nur das Wochenende und die
Ferien. Mein Traum war es mehr draussen zu sein, nur noch bis Mittag
Verpflichtungen zu haben, meine Fremdsprachen brauchen und mich mehr
künstlerisch betätigen zu können. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich jedoch keine
Ahnung, wie ich diesen Traum verwirklichen könnte, denn ich sah auch die
Verpflichtungen, die ich hatte, wie Miete, Versicherungen, Steuern, Auto, und
so weiter.
Eines Tages ging ich zu einem Coach um mit professioneller Hilfe weiterzukommen. Ich wusste ja, was ich wollte, nur wusste ich nicht wie ich es erreichen konnte. Der Coach führte mir vor Augen, dass ich meinen Alltag abwechslungsreicher gestalten musste, und riet mir mein Arbeitspensum im Büro erst einmal auf 80% zu reduzieren. Das tat ich dann auch und nebenbei gab ich Zumbastunden, nahm Tanzunterricht, absolvierte einen Schreibkurs, lernte Spanisch, langweilig wurde es mir wirklich nicht. Eine Zeit lang fühlte es sich besser an, aber der Wunsch nach einer Veränderung war noch immer da.
Dann im Jahr 2013 ging ich nach Mexiko in die Ferien. Ich hatte auf einer Ranch zwei Wochen Reiten gebucht. Ein wirkliches Schmuckstück einer Ranch, von einer Schweizerin errichtet und geführt (https://www.rancholascascadas.com). Ich fühlte mich schon immer zu Mexiko hingezogen, weiss aber bis heute nicht wieso. In diesen zwei Wochen sah ich eigentlich nicht viel von Mexiko - mit dem Pferd kommt man nicht so weit - aber das, was ich sah, faszinierte mich so sehr, dass ich mehr kennenlernen wollte. Von diesem Moment an, kreisten meine Gedanken nur noch darum, wie ich mehr Zeit in diesem vielfältigen Land verbringen könnte. Ich hätte auf die nächsten Ferien warten oder unbezahlten Urlaub nehmen können. Aber das war mir alles zu wenig. Ich wollte unbegrenzt Zeit haben.
Hauptgebäude der Ranch Las Cascadas
Auf der Suche nach Möglichkeiten stiess ich auf
workaway.info. Auf dieser Seite wird Arbeit gegen Kost und Logis angeboten. Auch
für Mexiko gab es zahlreiche Angebote von Hotels, Farmen oder Privatpersonen,
die immer wieder Reisende suchen, die etwas andere Ferien machen möchten. Ich
war sofort begeistert davon und rechnete mal aus, wieviel Geld ich für die
Reise brauchen würde. Ich bin schliesslich nicht jemand, der sich blindlings in
Abenteuer stürzt. Mir wurde klar, dass ich meine Wohnung kündigen oder
untervermieten müsste. Da ich aber unabhängig sein wollte entschloss ich mich
für ersteres, verkaufte zudem mein Auto und kündigte meinen Job. Ich hatte nur
noch einen Lagerraum, wo ich ein paar persönliche Dinge aufbewahrte.
In Mexiko kann man mit dem Touristenvisum sechs Monate lang bleiben. Ich konnte mir durchaus vorstellen nach den sechs Monaten weiterzureisen. Ich liess es einfach offen, das konnte ich nun ja. Mir war einfach wichtig, dass ich schon vor der Abreise wusste, wo ich die erste Woche übernachten würde, denn auf der Strasse schlafen liegt mir nicht so. Die nachfolgenden Monate sind eine Geschichte für sich, die man im Blog dazu (https://pajaro-cantando.jimdofree.com/) nachlesen kann. Jedenfalls machte ich mich auf die geplante Reise, arbeitete auf einer Farm, bei einer Familie und in einem Hotel am Strand, lernte einige schöne Orte kennen, bis ich meinen jetzigen Freund traf, was meine Pläne etwas änderte.
Einen Monat arbeitete ich gegen Kost und Logis in einem Hotel am Strand
Ich zog ziemlich bald darauf mit meinem Koffer bei ihm in Mexiko City ein, denn ich dachte mir, wenn es nicht funktioniert, packe ich einfach meine sieben Sachen und fliege nach Hause. Aber Monate später war ich noch immer bei ihm und musste mich vor eine schwere Entscheidung stellen. In der Schweiz warteten meine Familie und meine Freunde, die ich liebe und nicht enttäuschen wollte, und in Mexiko mein Freund und seine Familie, die mich und ich sie ins Herz geschlossen hatten. Ausserdem war da der Reiz einmal in einem fremden Land zu wohnen, vollständig in eine andere Kultur einzutauchen, quasi ein neues Leben aufzubauen.
Nach einigem Hin und Her entschloss ich mich dann, mich in Mexiko niederzulassen. Es war die Gelegenheit meinen Traum vielleicht umsetzen zu können. Ich flog für drei Monate in die Schweiz zurück um meinen Lagerraum aufzulösen, Versicherungen zu kündigen, Adressänderungen vorzunehmen und natürlich auch um meine Familie und Freunde nochmals ausgiebig zu geniessen. Ich glaube, ich brauche nicht gross zu erwähnen, dass es schlussendlich das schwerste war, sie zurücklassen zu müssen.
Zurück in Mexiko begann dann die Arbeitssuche. Ich hatte noch ein paar Reserven auf meinem Bankkonto, aber ewig reichten diese nicht. Und wer mich kennt, weiss, dass ich mein eigenes Geld verdienen möchte. Mir wurden bereits vor meinem Aufenthalt in der Schweiz ein paar Möglichkeiten angeboten, wie an einer Schule auf dem Land Deutsch zu unterrichten oder Senioren mit Zumba fit zu halten, aber überzeugt hatte mich das nicht. Spätestens als ich erfuhr, dass man in Mexiko nur sechs Tage Ferien pro Jahr bekommt, stellte ich fest, dass ich mir diesen Teil meines neuen Lebens nicht so gründlich überlegt hatte. Aber irgendeine Lösung fand ich schon, da war ich mir sicher.
Sicher war ich mir auch, dass ich nicht mehr den ganzen Tag im Büro arbeiten und mehr Zeit für meine Hobbys haben wollte. Und, wie weiter oben bereits erwähnt, wollte ich ausserdem mehr draussen sein und meine Sprachen brauchen können. Die Arbeitsstelle, die alle meine Anforderungen erfüllte, fand ich dann ein halbes Jahr später und eher per Zufall. Denn erst bemühte ich mich um Online-Jobs und einzelne Deutschstunden für Erwachsene um zumindest ein bisschen Geld zu verdienen. Dabei traf ich auf eine Frau, die mich fragte, ob ich mich bei der Deutschen Schule bereits beworben hätte. Ich verneinte mit der Begründung, dass diese doch sicher nur ausgebildete Lehrer einstellen würden. Ihre Antwort werde ich vermutlich nie vergessen: «Du schick deine Bewerbung, wenn sie dich nicht haben möchten, lassen sie dich das schon wissen.»
So schickte ich wenig später meinen Lebenslauf an die Personalabteilung der Deutschen Schule in Mexiko Stadt. Ich glaube, ich gab nicht einmal spezifisch an, für welche Stelle ich mich genau bewarb. Ich weiss nicht mehr wieviel Zeit dazwischen verging, jedenfalls hatte ich die Bewerbung bereits vergessen, als mich die Personalleiterin anrief und mich zu einem Vorstellungsgespräch einlud. Dort boten sie mir die Stelle als Kindergärtner-Assistentin an. Nur Vormittags arbeiten, viel draussen sein, basteln können, elf Wochen Ferien im Jahr, gute Sozialleistungen, anständiger Lohn, Arbeitsvisum durch die Schule organisiert, war das nicht genau das, was ich gesucht hatte?
Ich wäre nie und nimmer auf Kindergärtnerin gekommen, wenn ich nach dem für mich geeigneten Job gesucht hätte. Ausserdem konnte ich mir davor auch nicht vorstellen, dass man diesen Beruf ausüben kann, ohne eine entsprechende Ausbildung zu haben. Das zeigte mir wieder einmal, dass es manchmal besser ist, den Kopf auszuschalten und den Dingen seinen Lauf zu lassen. Einen Monat später begann ich meine Arbeit im Kindergarten und seither fühlt sich jeder Tag gleich erfüllt an, egal ob Montag, Freitag oder Sonntag. Ich geniesse die Tage von morgens früh bis abends spät, kann viel reisen, basteln, stricken, malen, die Sonne geniessen und mich bewegen. Natürlich ist auch hier in Mexiko nicht alles perfekt und es ist nicht immer einfach als organisierte, zuverlässige Schweizerin mit Leuten aus einer so anderen Kultur zu leben und zu arbeiten - darüber berichte ich noch - aber ich fühle mich freier, lebendiger und entspannter und habe das erreicht, wovon ich geträumt hatte.